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Der Rollenhobel von August Vogel (1861)

Die Geschichte der technischen Entwicklung im 19. Jahrhundert ist nicht nur geprägt von Neuentwicklungen und Erfindungen, sondern auch von unzähligen Ideen und Vorschlägen zur Verbesserung althergebrachter Werkzeuge. Während sich manche dieser Ideen tatsächlich als nützlich herausstellten, erwiesen sich die allermeisten davon doch nur als Kuriositäten der Technologiegeschichte. Das war meistens dann der Fall, wenn sich fachfremde Gelehrte in Felder wagten, die sich ihnen nur durch einen theoretischen Zugang erschlossen, deren praktische Grundprinzipien ihnen aber nicht in ausreichendem Maße klar waren.

Ein interessantes Beispiel dafür stellt der 1860 in Dinglers polytechnischen Journal von Dr. August Vogel vorgestellte „Rollenhobel“ dar.

Rollenhobel Vogel (Dingler) 1860

Vogel war Agrarwissenschaftler in München, sein eigentliches Fachgebiet die Chemie. Der wichtigste Werkstoff in der Agrartechnik zu jener Zeit war das Holz, vielleicht machte er sich deshalb Gedanken darüber, die Arbeit mit dem Handhobel zu erleichtern.

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Seine Idee: Mithilfe von Rollen den Reibungswiderstand der Hobelsohle zu eliminieren. Seine Konstruktion war verhältnismäßig einfach: Zwei gusseiserne Rollen wurden an Metallplatten, die an beiden Seiten des Hobels befestigt waren, in den Hobelkasten eingelassen. Er ließ einige Exemplare seines Hobel in einer Münchner Werkstätte anfertigen und stellte sie Tischlern zur Erprobung zur Verfügung, mit durchaus positiven Beurteilungen, wie er schreibt.

Aber schon in diesem ersten Artikel merkt er an, dass ein Hobelkörper aus Gusseisen besser geeignet wäre, da das Schwinden des Holzes möglicherweise ein Blockieren der Rollen verursachen könnte. 1861 lässt er von einem Mechaniker namens Falter in München solche gusseisernen Modelle anfertigen und berichtet wieder im polytechnischen Journal darüber. Stolz weist er auch auf einen lobenden Kommentar des führenden deutschen Technologen seiner Zeit, Karl Karmarsch (geb. 1803 in Wien, gest. 1879 in Hannover und damals Direktor der polytechnischen Schule in Hannover), hin.

Weiss & Sohn, 699 Rollenhobel 1861 XLII

Nicht nur Karmarsch fand die Idee interessant, auch Johann Baptist Weiss in Wien war auf diese Konstruktion aufmerksam geworden. Weiss setzte um 1860 sehr auf Innovation, er entwickelte einen neuartigen Parallelanschlag für Stellhobel und einen neuen Nuthobel. In seinem 1861 erschienenen „Atlas österreichischer Werkzeuge für Holzarbeiter“ taucht auch Vogels Rollenhobel mit der Nummer 699 auf. Ebenso ein Doppelhobel mit verstellbarem Hobelmaul nach einem älteren Patent von Christian Weiland (ein Vorläufer des späteren Reformhobels von Georg Ott) findet sich darin.

Bei aller Kreativität und Cleverness, die August Vogel bei seiner Konstruktion an den Tag legte, hat er doch ein fundamentales Prinzip des Hobelbaus außer Acht gelassen: Damit ein Hobel einwandfrei funktioniert, braucht die Hobelsohle Kontakt mit dem Werkstück, und zwar direkt vor dem Hobeleisen. Je enger das Hobelmaul, je näher also der Anpressdruck vor der Schneidkante des Eisens wirkt, desto besser. Schon ein etwas weiteres Hobelmaul kann Ausrisse auf dem Werkstück verursachen. Der Rollenhobel eliminiert diesen Kontakt völlig, sodass ausrissfreies Arbeiten praktisch unmöglich gemacht wird.

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August Vogels Konstruktion hatte nicht den von ihm erhofften Erfolg. Aber dieses Schicksal teilt er mit vielen seiner Erfinderkollegen jener Zeit.

Rollenhobel Artikel Dingler 1860
Rollenhobel Artikel Dingler 1861
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