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Weiss & Sohn Reformhobel Nr. 108 1/2

Der "Reformhobel" ist eine Entwicklung der Firma Georg Ott aus Ulm, besser bekannt unter dem Markennamen Ulmia.

Das zugrundeliegende Patent (damals "Gebrauchsmuster" genannt) wurde am 6. Jänner 1894 unter dem Titel "Hobel mit aufgelegter Sohle und verstellbarem Plättchen zur Regulirung der Messeröffnung" erteilt. Der Erfolg war unglaublich, das Modell wurde im Laufe der Zeit von praktisch allen deutschen Herstellern in mehr oder weniger gleicher Bauart hergestellt, der Reformhobel ist bis heute in fast jeder Tischlerwerkstatt zu finden.

Die Ideen zur Entwicklung dieses Hobels gehen laut Ott auf Eindrücke während einer Studienreise in Amerika zurück.

Weiss & Sohn Reformhobel Nr. 108 1/2
Christian Weiland Anzeige 1854
Weiland Patenthobel Technisches Museum Wien

Allerdings taucht die Idee, das Hobelmaul mit Hilfe eines verstellbaren Plättchens in der Hobelsohle zu regulieren, schon einige Jahrzehnte früher auf, zumindest in Österreich.

1854 erwirbt Christian Weiland in Wien ein Privilegium auf "verbesserte Doppel-Hobel zum Stellen" für zwei Jahre.

Die Beschreibung des Hobels in der nebenstehenden Anzeige lässt vermuten, dass das Hobelmaul mittels einer Stellschraube zu verstellen war. Das Technische Museum in Wien besitzt ein Exemplar dieses Hobels; das Foto zeigt zwar die Sohle nicht, aber eine Stellschraube ist erkennbar.

1856 lässt Weiland das Privileg auslaufen, womit die Konstruktion frei verwendbar wird.

Anscheinend greift danach die Firma Weiss & Sohn Weilands Idee auf, denn im "Atlas österreichischer Werkzeuge für Holzarbeiter" 1861 ist ein "Doppel-Schlichthobel" nach diesem Konstruktionsprinzip abgebildet. Auch Johann Horak in Prag hat Mitte der 1860er Jahre einen "Doppel-Schlichthobel" mit verstellbaren Hobelmaul im Sortiment. Die Abbildungen zeigen deutlich, dass zwei Stellschrauben verwendet wurden. Georg Ott stattete die ersten Modelle seines Reformhobels mit nur einer Stellschraube auf der Oberseite aus, erst später wird eine zweite Stellschraube an der Vorderseite hinzugefügt.

Weiss & Sohn, Doppelhobel Nr. 4, 1861
Johann Horak, Doppelhobel zum Verstellen, 1866
Weiss & Sohn, Doppelhobel Nr 4, 1917
Reformhobel Kauders ESKA 1924

Dieses Hobelmodell blieb bis mindestens 1917, wahrscheinlich sogar bis Mitte der 1920er Jahre im Sortiment von Weiss & Sohn, in einem Katalog des Vertragshändlers S. Kauders (ESKA) ist 1924 noch ein solcher Hobel von Weiss & Sohn abgebildet.

Außerdem war das Prinzip, das Hobelmaul mit Hilfe einer von oben durch den Hobelkasten gesetzten Schraube zu verstellen, bereits von vielen Herstellern bei Doppel-Simshobeln eingesetzt worden.

Das zweite wesentliche Merkmal des Reformhobels war die Verwendung einer "amerikanischen" Eisenklappe anstatt des traditionellen Holzkeils zur Fixierung des Hobeleisens im Hobelkasten. Die ersten Ulmia Modelle hatten eine Klappe, die eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu jenen von Stanley's Eisen- und "Woodbottom"-Hobeln aufwiesen. Aber bald schon wurden Klappen mit Stellschraube verwendet, wie sie schon von englischen Infill-Hobeln bekannt waren.

Weiss & Sohn reagierten auf den wachsenden Erfolg des Ulmia Reformhobels mit der Entwicklung eines eigenen Patenthobels mit eiserner Klappe und eines neuartigen metallenen Handschoners. Im Katalog von 1909 wird die neue Reihe mit den Katalognummern 105 bis 109 erstmals vorgestellt. Das einzige Modell mit verstellbarem Hobelmaul dieser Serie, die Nummer 108 1/2, kann man dabei als Weiss & Sohn's Version eines Reformhobels bezeichnen.

Weiss & Sohn, Patenthobel mit eisernem Keil, 1917
Reformhobel, Weiss & Sohn, Musterbuch 1928
Reformhobel, Weiss & Sohn, Katalog Nr. 33
Reformhobel Weiss & Sohn, Katalog Anton Bayer, Graz, 1952

Allerdings scheint dieser Versuch, der Konkurrenz des Ulmia Modells zu begegnen, keinen großen Erfolg gehabt zu haben. Mitte der 1920er Jahre verschwinden sowohl die 100er Serie wie auch der verstellbare Doppel-Schlichthobel Nr. 4 aus den Katalogen von Weiss & Sohn. Übrig bleibt einzig die Nummer 108 1/2, allerdings in der patentierten Ulmia Bauweise, die sehr viele deutsche Hersteller ebenfalls übernommen hatten.

Gefertigt wurde er aus gedämpftem Birnholz mit einer Sohle aus Pockholz, fein poliert und mit einem luftdichten Schutzlack versiegelt. Die Form der Nase entsprach dem Ulmia Modell, nicht der üblichen Weiss & Sohn Form, lediglich die patentierte Rundung am hinteren Ende des Hobelkastens weist diesen Hobel eindeutig als Weiss & Sohn Hobel aus. Es gab aber auch Hobel mit der typischen Weiss-Nase.

In dieser Form blieb das Modell 108 1/2 bis zum Ende der Firma im Sortiment.

Die folgenden Originalzeichnungen des Reformhobels von Johann Weiss & Sohn stammen aus den Jahren 1949/50.

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Originalzeichnung Weiss & Sohn, 108 1/2 Reform Putzhobel
Originalzeichnung Weiss & Sohn, Eisen zu Nr. 108 1/2
Originalzeichnung Weiss & Sohn, Spanbrecher zu 108 1/2
Originalzeichnung Weiss & Sohn, Klappenschraube zu 108 1/2
Quellen

 

holzwerken.de

Wolfgang Jordan über den Reformhobel und andere Hobel von Georg Ott

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Atlas österreichischer Werkzeuge für Holzarbeiter

Johann Baptist Weiss, Wien, 1861

(Link: Österreichische Nationalbank, Austrian Books Online)

Bildergalerien

Ein patentierter Weiss & Sohn Hobel Nr. 108 1/2, wie er 1909 erstmals in einem Katalog erscheint. Die Eisenklappe wird von 2 Nasen aus Eisen, die auf beiden Seiten des Hobelkastens eingelassen sind, gehalten.

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Ebenfalls aus der 100er Serie von 1909 stammt dieser Nr. 107 Doppelhobel, etwas länger als die Nr. 108 1/2.

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Ein sehr schönes Exemplar eines Weiss & Sohn Reformhobels Nr. 108 1/2 in der patentierten Ulmia-Bauweise. Gedämpftes Birnenholz, Pockholzsohle, Schutzlackierung.

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Dieses Exemplar eines Weiss & Sohn Reformhobels ist mein "Einsatzhobel" in der Werkstatt. Die Schutzlackierung war nur noch stellenweise vorhanden, deswegen habe ich sie entfernt und den Hobel geölt. Das veränderte die Holzfarbe sehr, fühlt sich aber wesentlich natürlicher an.

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Das Original von Ulmia! Ebenfalls im Werkstatteinsatz. Dieses Modell hat auch eine Einstellschraube an der Vorderseite.

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